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Das Geschäft mit Fälschungen, insbesondere von Luxuswaren, ist «big business». Schätzungen der OECD zufolge wurden im Jahr 2021 gefälschte Waren im Wert von 467 Milliarden US-Dollar gehandelt, davon ein bedeutender Anteil Luxusgüter. Seither dürfe dieser Wert weiter gestiegen sein. Besonders betroffen sind Handtaschen (insb. Chanel, Gucci und Louis Vuitton), Luxusuhren (insb. Omega, Patek Philippe und Rolex) oder Schuhe von Alexander McQueen. Allein von der chinesischen Online-Handelsplattform Alibaba sollen in den letzten zwei Jahren über 90 Mio. gefälschte Produkte entfernt worden sein.
Die Gründe für den boomenden Markt sind vielfältig: Die Originale sind sehr teuer und als Statussymbole begehrt. Gleichzeitig akzeptiert die Generation Z stärker als vorherige Generationen Fälschungen, da sie bezahlbar, online einfach beschaffbar sind und auf sozialen Medien Prestige verleihen. Zudem gibt es immer mehr sog. «Superfakes», also hochwertige Kopien, die von den Originalen kaum zu unterscheiden sind. Auf Social Media befeuern reichweitenstarke Accounts diesen Trend, indem sie Onlineshops bewerben, die «Nachbildungen in höchster Qualität» verkaufen. Mit ihrer grossen Followerschaft tragen sie damit substanziell zur Verbreitung gefälschter Markenartikel bei, wie eine Recherche von SRF kürzlich zeigte.
Woran aber die wenigsten denken, wenn sie auf einem Nachtmarkt in Bangkok, bei einem Strassenkäufer in Florenz oder online eine vermeintliche Gucci-Handtasche kaufen: Fälschungen von Luxusgütern schädigen die Herstellerfirmen und gefährden damit Arbeitsplätze. Sie schwächen Markenwert sowie Kundenvertrauen und verletzen geistiges Eigentum. Darüber hinaus werden Fälschungen oft unter Verletzung von ESG-Grundsätzen hergestellt. Schliesslich drohen rechtliche Konsequenzen, wenn man wissentlich und willentlich eine Fälschung erwirbt, z.B. weil es ein «Schnäppchen» ist.
Trivial gesagt, ist ein Gegenstand gefälscht, wenn er nicht echt ist. Echt bzw. authentisch ist Ware, die wirklich ist, was sie zu sein vorgibt (z.B. vom Hersteller stammt, der auf dem Produkt steht). Eine Fälschung liegt etwa vor, wenn eine – typischerweise in China oder in der Türkei produzierte – Handtasche mit dem Label «Gucci» versehen wird, obwohl sie nicht aus der italienischen Manufaktur stammt, nicht aus hochwertigem Leder gefertigt ist, womöglich imaginäre Seriennummern eingeprägt sind und mit gefälschter Dokumentation verkauft wird, was gerade bei Luxusuhren häufig passiert. Fälscher reproduzieren in diesem Fall mit Täuschungsabsicht ein Objekt, das als Original verkauft wird. Das Recht stellt ein ganzes Instrumentarium zur Verfügung, um solches volkswirtschaftlich schädigende Geschäftsgebaren zu bekämpfen. Herstellen, Inverkehrbringen sowie Verkauf und Erwerb einer Fälschung ziehen straf- und zivilrechtliche Folgen nach sich.
Gucci, Patek Philippe oder Alexander McQueen möchten natürlich, dass Fälschungen ihrer Produkte vom Markt verschwinden und dass sie für entgangene Gewinne entschädigt werden. Die Rechte, die Hersteller gegen Fälschungen schützen, variieren je nach Art des Luxusgutes. Bei einer Luxusuhr profitiert das Unternehmen vom Schutz der Marke, des Designs und der Erfindungen, welche für deren Produktion notwendig sind. Wir sprechen vom sog. geistigen Eigentum. Die Inhaberin des Rechts wird gegen jeglichen Eingriff in ihre Rechtsposition geschützt. Bei einer Handtasche oder einer Designer-Jacke stehen neben dem Marken- und Designschutz der urheberrechtliche Schutz im Vordergrund.
Herstellern verleiht dieser marken-, design- und patentrechtliche Schutz vielfältige Rechte. Sie haben u.a. Anspruch auf Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Sie können vom Gericht oder u.U. vom Zoll im vereinfachten Verfahren bei Kleinsendungen verlangen, dass gefälschte Uhren beschlagnahmt und aus dem Verkehr gezogen werden. Konfiszierte Fälschungen können nach einem entsprechenden Administrativverfahren eingestampft werden. Darüber hinaus können gegenüber Fälschern und Distributoren Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden sowie das Recht auf Herausgabe eines widerrechtlich erzielten Gewinns.
Bei gewissen Luxusgütern wie Handtaschen, Kleidern oder Schuhen spielt auch das Urheberrecht, bekannt aus Kunst und Kultur, eine Rolle. Geschützt werden kann etwa der Schnitt eines Haute Couture Kleides, die Formgestaltung einer Handtasche oder das Gesamtdesign eines Möbelstücks, wie es das Bundesgericht im prominenten Fall der Le Corbusier-Möbel bestätigt hatte. Urheber können u.a. verlangen, dass Herstellung, Inverkehrbringen und Verkauf der Fälschung unterbunden werden. Sie können auch Schadenersatz und Gewinnherausgabe fordern. Schliesslich kann das Gericht die Einziehung und Verwertung oder Vernichtung der Fälschung anordnen.
Geistigen Eigentums:
Marke
Art. 1 Abs. 2 MSchG: Zeichen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden
Beispiel: Marke Patek Philippe
Design
Art. 1 DesG: Gestaltung von Erzeugnissen oder Teilen von Erzeugnissen
Beispiel: Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben auf dem Zifferblatt oder das verwendete Material der Uhr
Patent
Art. 1 Abs. 1 PatG: neue gewerblich anwendbare Erfindungen
Beispiel: Verschiedenste Erfindungen, die in einer Uhr stecken
Urheberrecht:
Art. 1 f. URG: geistige Schöpfung mit individuellem Charakter
Beispiel: dekorativ gestaltetes Zifferblatt
Wer ein marken-, design- oder patentrechtlich geschütztes Werk wie eine Patek Philippe nachahmt, muss damit rechnen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Herstellung einer Nachahmung erfüllt je nach Art der Fälschung die allgemeinen strafrechtlichen Tatbestände der Warenfälschung (Art. 155 StGB), des Betrugs (Art. 146 StGB) oder der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB). Je nach Tatbestand droht eine Geldbusse mit oder ohne Haftstrafe. Nach der Markenschutzgesetzgebung droht dem Fälscher zudem fünf Jahre Gefängnis und/oder eine Geldstrafe, wenn er gewerbsmässig Nachahmungen erstellt.
In einem der grössten Skandale der Schweizer Uhrenindustrie im Jahr 2008 wurde der Uhrmacher Jean-Pierre Jaquet vom Neuenburger Wirtschaftsstrafgericht zu 4,5 Jahren Haft und CHF 750‘000 Schadenersatz verurteilt. Er war in ein weitreichendes Fälschungs-, Hehlerei- und Diebstahlsnetzwerk verwickelt, bei dem unter anderem Rolex Uhren gefälscht wurden. Trotz solcher Urteile gestaltet sich der Zugriff auf Fälscher schwierig, da sie häufig im Ausland operieren und sich den Behörden durch verschachtelte Lieferketten und anonymes Auftreten auf Online-Plattformen entziehen.
Dem Käufer, der bewusst eine Fälschung erwirbt, kann ebenfalls Ungemach drohen. Bei einer kürzlich durchgeführten Schwerpunktkontrolle stellte der Schweizer Zoll innerhalb einer Woche 256 mutmassliche Markenfälschungen sicher. Bereits die Einfuhr einer nachgemachten Patek Philippe oder einer Gucci-Handtasche in die Schweiz gilt gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. b MSchG als Verletzung des Markenrechts. Wer also die in Bangkok oder Florenz erworbene Handtasche einführt und beim Zoll erwischt wird, dem drohen Geldbusse oder Gefängnis.
Gute Nachrichten gibt es für den ahnungslosen Käufer. Dieser kann unter bestimmten Voraussetzungen sein Geld zurückfordern. Entscheidend ist, dass er nicht wusste, dass es sich um eine Fälschung handelt und diese sofort meldet, sobald er es erfährt. Alternativ lässt sich der Kaufvertrag auch wegen Irrtums oder Täuschung anfechten. Wer die Ware nicht gekauft hätte, hätte er von der Fälschung gewusst, oder absichtlich getäuscht wurde, kann so ebenfalls sein Geld zurückerhalten. Schwieriger wird es jedoch, wenn die Fälschung offensichtlich war oder der Kauf im Ausland stattfand. Dann bleiben die Rechte oft auf der Strecke.

Webseite
Die Schweizer Plattform «Stop Piracy» bietet verlässliche, faktenbasierte Informationen zu Fälschungen und Piraterie und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Besonders hilfreich sind die kompakten Merkblätter, die anschaulich zeigen, woran man Fälschungen und unseriöse Online-Anbieter erkennt. Wer sich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch mit dem Thema auseinandersetzen möchte, findet hier eine ausgezeichnete Anlaufstelle.

Studie
Für eine zusätzlich ökonomische Perspektive: Die OECD-Studie beleuchtet die volkswirtschaftlichen Folgen von Fälschungen und Piraterie in der Schweiz. Sie zeigt, wie stark besonders exportorientierte Branchen wie die Uhren- oder Pharmaindustrie betroffen sind, und liefert aktuelle Daten zu Handelsrouten, Schadenssummen und globalen Zusammenhängen.