Krise des Westens

Den Westen neu denken: Sicherheit, Wirtschaft und geopolitische Neuordnung
In einer Welt, die von zunehmender Instabilität geprägt ist, befindet sich das westliche Bündnis in einem tiefgreifenden Wandel. Von der Erosion der nuklearen Abschreckung aus der Zeit des Kalten Krieges bis hin zu ideologischen Verschiebungen in der Wirtschaftspolitik navigieren sowohl Europa als auch die Vereinigten Staaten durch eine komplexe neue Weltordnung.
Jahrzehntelang sicherten die USA die Sicherheit Europas und Asiens durch eine erweiterte nukleare Abschreckung. Heute gerät diese Strategie ins Wanken. Russlands aggressive Haltung, Chinas militärische Expansion, die Ambitionen des Iran und disruptive Technologien tragen alle zu einer erneuten nuklearen Unsicherheit bei. Die Skepsis von Präsident Trump gegenüber der NATO hat alte Ängste vor einem Rückzug der USA wiederbelebt und Europa gezwungen, autonome Sicherheitsstrategien in Betracht zu ziehen, die in Zusammenarbeit mit Forschern, Politikern und der Zivilgesellschaft entwickelt wurden.
Wie Christoph Heusgen feststellt, löst sich der klassische «Westen» des Kalten Krieges auf. Die USA ziehen sich aus ihrer Führungsrolle zurück, während Europa an demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit festhält. Diese Neuausrichtung ebnet den Weg für neue Allianzen – wie beispielsweise eine «Allianz des Multilateralismus» – mit gleichgesinnten Nationen wie Kanada und Australien.
Auch das konservative Denken in den USA verändert sich. Oren Cass, Gründer von American Compass, plädiert für eine Wirtschaftspolitik, die sich auf die arbeitende Bevölkerung konzentriert und Zölle, Reindustrialisierung, Berufsausbildung und Gewerkschaften unterstützt. Seine Ideen weichen von der freien Marktorthodoxie der Republikaner ab und ähneln eher der europäischen Sozialdemokratie als der Reaganomics.
Eine neue Analyse der Präsidentschaft Trumps, die auf dem Elite Quality Index (EQx2025) basiert, legt nahe, dass institutionelle Veränderungen zunehmend durch den Wettbewerb innerhalb der Elite vorangetrieben werden – insbesondere in den Bereichen Technologie, Finanzen, Energie und Bildung. Diese Verschiebungen innerhalb der Elite werfen eine entscheidende Frage auf: Schaffen wir nachhaltigen Wert oder schöpfen wir ihn lediglich aus?
Auch die Europäische Union überdenkt ihre Rolle. Angesichts des Krieges in der Ukraine, der tech-nologischen Abhängigkeit und interner Schwächen zielt der «Competitiveness Compass» der EU darauf ab, Investitionen anzukurbeln, Bürokratie abzubauen und Lieferketten zu stärken. Diese Strategie könnte jedoch mit traditionellen EU-Werten wie Nachhaltigkeit, Menschenrechten und Freihandel kollidieren.
Schliesslich ist auch Trumps zollorientierte Handelspolitik in die Kritik geraten. Der Ökonom Martin Wolf argumentiert, dass Zölle zwar das Handelsdefizit verringern, aber die Produktivität und Investitionen beeinträchtigen könnten. Eine klügere Strategie? Billiges Kapital in hochwertige, handelbare Sektoren lenken – davon profitieren sowohl die USA als auch die Weltwirtschaft.
Angesichts der sich wandelnden geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft muss sich der Westen neu erfinden – strategisch, institutionell und ideologisch.

Buch

Towards an Elite Theory of Economic Development: An Inquiry into Sustainable Value Creation (available in September 2025)

Auf der Website des Verlags haben wir unsere Arbeit so beschrieben: Institutionen sind von Menschen geschaffene Beschränkungen wirtschaftlicher Aktivitäten. Sie entstehen durch das Handeln einer Elite. Dieses Buch nimmt Ideen aus der Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politik und dem strategischen Management auf. Es stellt eine «Elitetheorie der wirtschaftlichen Entwicklung» vor. Das übergeordnete Ziel ist die Förderung einer nachhaltigen Wertschöpfung auf der Ebene der Geschäftsmodelle der Elite. Diese Arbeit soll auch einen Beitrag zum transformativen Führungsstil leisten. Zudem stellt sie einen Bezug zum jährlichen Elite Quality Index (EQx) her, einem Massstab für die Wertschöpfung nationaler Eliten.

Buch

Why Nations Fail: The Origins of Power, Prosperity, and Poverty

Um die grundlegenden Ziele der Elitetheorie besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf das mittlerweile klassische Werk der Nobelpreisträger Daron Acemoglu und James Robinson. Die beiden Autoren bringen inklusive Institutionen mit Wohlstand in Verbindung.

Buch

The Fragile Balance of Terror. Deterrence in the New Nuclear Age

In «The Fragile Balance of Terror», herausgegeben von Vipin Narang und Scott D. Sagan, analysieren renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich die nukleare Landschaft zum Schlechten verändert hat.

Podcast

The Economics Show

Ein Namensvetter. Aber dieser Martin Wolf ist ‘Chief Economics Commentator’ bei der Financial Times. Er spricht mit Kenneth Rogoff über Donald Trumps Handelspolitik, die Zukunft des Dollars und was das für andere Währungen bedeutet.

Buch

The Future of European Competitiveness

Europa ist ein weiterer Schwerpunkt der Elitetheorie. Hier wird die Leistungsfähigkeit des Elitesystems untersucht. Keine Diagnose beschreibt die Herausforderungen des Kontinents treffender als Mario Draghis Bericht «Die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit» (2024). In diesem Bericht wird Europa mit China und den Vereinigten Staaten verglichen.

Buch

Nuclear War: A Scenario

Bis jetzt wusste niemand ausserhalb offizieller Kreise genau, was passiert, wenn ein Schurkenstaat eine Atomrakete auf das Pentagon abschiesst. Sekunde für Sekunde, Minute für Minute, choreografieren diese Protokolle das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen. «Nuclear War» von Annie Jacobsen basiert auf Dutzenden von Interviews mit militärischen und zivilen Fachleuten. Es ist ein fesselnder Sachbuch-Thriller und ein eindringliches Plädoyer, dass wir uns für immer von diesen weltvernichtenden Waffen befreien müssen.

Buch

Our Dollar, Your Problem

Harvard Professor Kenneth Rogoff zeigt, dass der Niedergang des Dollars schon vor Trump begonnen hat.

Buch

If Then: How the Simulmatics Corporation Invented the Future.

Ein faszinierendes Buch, das den frühen Versuch beleuchtet, die Zukunft mit datengetriebenen Prognosen und Modellen vorherzusagen - lange bevor Big Data und soziale Medien unser Leben dominierten. Jill Lepore entführt uns in die Geschichte der Simulmatics Corporation, die in den 1960er Jahren versuchte, mit der Analyse von Daten die Gesellschaft zu steuern - erst von der 5th Avenue in New York aus fürs kommerzielle Marketing, dann im Wahlkampf 1960 für John F. Kennedy, und irgendwann sogar im Vietnamkrieg. Ihre Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie technologische Entwicklungen und die Frühformen der Datenanalyse die politische Landschaft beeinflussten und bis heute unser Verständnis von Demokratie und Macht verändern. Sie zeigt aber auch, wo die Grenzen der Technisierung von Demokratie liegen.

Podcast

Future of AI, Simulating Reality, Physics and Video Games

Demis Hassabis, CEO von Google DeepMind und Nobelpreisträger, im Gespräch mit Lex Fridman. Ein zentraler Schwerpunkt der zeitgenössischen Elitetheorie ist die künstliche Intelligenz (KI). Aufstrebende Eliten definieren die politische Ökonomie neu. Um die Natur dieser zukunftsweisenden Technologie zu verstehen, hören Sie sich dieses Interview an.

Serie

Yellowstone

«We’re steeped in liberal culture» – Wir seien durchtränkt von linksliberaler Kultur, behaupten viele Konservative: Filme, Fernsehen, Musik, alles sei «woke» und «out of touch». Es gibt allerdings Produktionen, die mit Erfolg vor allem auch das konservative Publikum erreichen: Die Neo-Western-Serie «Yellowstone» mit Kevin Costner bedient das Publikum mit Geschichten über Familienbande, Loyalität, Widerstand gegen Staat, den Konflikt zwischen urbaner Küstenmentalität und jene des Nordwestens sowie über die Verbundenheit mit dem Land an sich.

Podcast

Interesting Times

Es gibt mehr konservative Podcasts als Zeit, diese alle zu hören. Aber Ross Douthats «Interesting Times» lohnt die wöchentlichen 45 Minuten. Seine Gäste sind mehrheitlich Konservative, einige sehr bekannt wie Peter Thiel und Vizepräsident JD Vance, andere immer bekannter wie eben Oren Cass, oder (für viele von uns) noch zu entdecken wie Verleger Jonathan Keeperman.

Buch

Why Liberalism Failed

Deneen hat 2018 die für mich noch immer schärfste konservative Zeitdiagnose publiziert. Aus meiner Sicht: Pflichtlektüre. Auch Oren Cass liest sich oft wie ein Echo auf Deneen.

Fokussiert bleiben

Ausgewählte Feed-Beiträge von Universitäten, Denkfabriken und Medien.
Gestern
20.08.2025
19.08.2025
Trump’s Ukraine summit was a European damage control operation. It succeeded – for now
Politik

Trump’s Ukraine summit was a European damage control operation. It succeeded – for now

Trump’s Ukraine summit was a European damage control operation. It succeeded – for now Expert comment jon.wallace 19 August 2025 More positive indications on US security guarantees are welcome. But the US president still believes in personal diplomacy with a Russian leader who has yet to even hint of concessions. President Donald Trump hosted President Zelenskyy for the second time in the Oval Office in Washington on Monday. This time the tone, setting and line-up differed dramatically from the public humiliation Zelenskyy suffered in February. The presence of leaders from the UK, Germany, France and Italy was a notable display of European solidarity with Ukraine, intended to prevent another calamitous outcome and preserve Transatlantic unity. It was also important to ensure that President Trump did not force Ukraine into making unnecessary concessions, following Friday’s inconclusive summit with Russian President Vladimir Putin. Related content Independent Thinking: Will Trump deliver for Ukraine? After that meeting in Alaska, overwhelmingly described in US and global media as a victory for Putin, Trump needed a diplomatic win. It was clear that nearly nothing had been agreed in Anchorage, with Trump forced to admit afterwards there are ‘a couple of big ones’ (points) that remain unresolved. There was no disclosure of what these points might be, but it is safe to assume they include the status of Ukrainian territories, the role of the US and other NATO member states in guaranteeing Ukraine’s security post-war – and the possibility of a bilateral meeting between Putin and Zelenskyy. One of the only significant outcomes of the Alaska summit was a gain for Russia: Trump’s backtracking on the need for an unconditional ceasefire before launching a genuine, high-level diplomatic track towards a final peace deal.Putin’s motivesEuropeans know that Putin is pushing a comprehensive peace agreement in order to draw out negotiations with demands to address the ‘root causes’ of the conflict, while continuing the war against Ukraine. In Putin-speak, addressing ‘root causes’ means restricting NATO’s presence in Eastern Europe, and allowing Russia to define the limits of Ukraine’s sovereignty.  European leaders know that this is a no-go. That is why both German Chancellor Friedrich Merz and French President Emmanuel Macron urged President Trump to put pressure on Putin to establish a ceasefire ahead of the next meeting. But this appeal seems to be falling on deaf ears.   Putin has spent years describing Ukraine’s president as an illegitimate leader of a country that should not exist…agreeing to meet therefore risks being perceived as weakness on his part. Trump is pushing for a bilateral meeting between Putin and Zelenskyy at least in part in the hope of securing a Nobel Peace Prize nomination. Zelenskyy has stated his readiness to meet, to please the US president – even though he knows that such a meeting could be used by Putin to accuse Ukraine of obstructing Trump’s wishes. Putin’s goal throughout all negotiations is to have the US abandon Kyiv and deliver a reset with Moscow.Russia is also uncertain about the benefits of a presidential summit: the Kremlin has not yet publicly confirmed readiness to meet Zelenskyy. Putin has spent years describing Ukraine’s president as an illegitimate leader of a country that should not exist in the first place. Agreeing to meet therefore risks being perceived as weakness on his part, particularly to his ultra-patriotic constituencies and military and security elites.And the Russian leadership demonstrates no willingness to back down on its demands, knowing in advance (after two rounds of talks in Turkey) that they are unacceptable for Ukraine. Russian Foreign Minister Sergey Lavrov again stated that there could be no lasting peace agreement without taking into account ‘Russian security interests’, the rights of Russian speakers in Ukraine and that the peace settlement should not be a pretext to prepare Ukraine for war.What Kyiv needsOne positive piece of news from the Washington summit is the US signalling its readiness to participate in providing Ukraine’s security. Details are scarce, but President Trump has floated the idea of the US participating in the air. US involvement could be a game-changer for the aim of the  ‘coalition of the willing’ to provide a reassurance force inside Kyiv-controlled territories, as guarantors of any ceasefire line or peace deal. Related content Mobilizing ‘Team Ukraine’ for a successful recovery Reports indicate that US State Secretary Marco Rubio will lead a working group to design collective security guarantees for Ukraine – though outside of NATO. Measures to be discussed include an international military presence inside Ukraine, boosted air defences, reconstitution of the Ukrainian army, and how to monitor a ceasefire. The details should be developed in as little as 10 days. However, the chances of this track collapsing are high, especially if the Russians signal their discontent directly to Trump.Kyiv has already signed over 30 bilateral security agreements, including a 10-year agreement with the US. These essentially provide access to funding and military cooperation arrangements.What Ukraine needs now is a mechanism that provides defence in case Russia decides to mount another attack following the end of hostilities. Since Russia is a nuclear state, Ukraine’s security protection must include other nuclear powers.

Chatham House

Donald Trump's Attacks on the Fed Could Signal a MAGA Takeover
Wirtschaft

Donald Trump's Attacks on the Fed Could Signal a MAGA Takeover

Donald Trump's continued attacks on Federal Reserve chief Jerome Powell threaten the pillars of the U.S. economy. He could be planning a complete MAGA takeover of monetary policy.

Der Spiegel

18.08.2025
17.08.2025